Dr. Bettina Wehner
Dr. Bettina Wehner
roter Punkt
Rechtspopulisten – Gegner der europäischen Einigung

Die Fortführung der europäischen Einigung ist das wichtigste politische Projekt des 20. und 21. Jahrhunderts, zumal bei zunehmender Globalisierung und Erstarken von Staaten wie z.B. China oder Indien der einzelne Nationalstaat kaum Gehör findet im Konzert der großen Staatengebilde.
Gegen Globalisierung und Internationalisierung wenden sich die Rechtspopulisten in Europa und Amerika und wirbeln mit Erfolg die politische Landschaft auf.
Die Gefahr des Brexits für weitere Abspaltungstendenzen innerhalb der EU gilt inzwischen als weitgehend gebannt. Der zögerliche und teilweise völlig ungeordnete Wille zum Austritt Großbritanniens aus der EU wirkt nicht gerade aufmunternd auf potenzielle Austrittskandidaten. Das Parteiengefüge der europäischen Einzelstaaten dagegen konnten die Rechtspopulisten empfindlich stören und aus dem Gleichgewicht bringen.
Das kann man gut verfolgen anhand der Ergebnisse von Landtagswahlen in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 in den neuen deutschen Bundesländern. In  Sachsen (Landtagswahl am 1. Sept.19: 32,1% CDU, AfD 27,5%, Linke 10,4%,Grüne 8,6%, SPD 7,7%), Brandenburg (Landtagswahl am 1. Sept.19: SPD 26,2%, CDU 15,6%, Linke 10,7%, AfD 23,5%, Grüne 10.8%, BVB/Freie Wähler 5,0%) und zuletzt Thüringen (Landtagswahl am 27. Okt.19: CDU 21,7%, Linke 31,0%, SPD 8,2%, AfD 23,4%, Grüne 5,2%, FDP 5,0%) konnte die AfD jeweils deutlich über 20% der Wählerstimmen abgreifen.
Das Ergebnis der Thüringen-Wahl wurde teilweise mit blankem Entsetzen aufgenommen, obwohl die Prognosen bereits recht genau auf das Dilemma einer schwierigen Regierungsbildung verwiesen. In Thüringen zeichnet sich bis zur Stunde keine mögliche Regierungskoalition ab, da Ministerpräsident Ramelow zwar ein sehr gutes Ergebnis für die Linken erzielt hat, die CDU aber kategorisch ausgeschlossen hat, eine Koalition mit ihnen einzugehen. Die anderen demokratischen Parteien – SPD, Grüne, FDP – konnten nur einstellige Ergebnisse erzielen und somit nicht zu einer absoluten Mehrheit verhelfen, mal ganz abgesehen davon, dass man sich zur Zeit FDP und Grüne auch nicht in einer gemeinsamen Regierung denken kann.
Die Wahlergebnisse in Sachsen, Brandenburg und Thüringen haben gemeinsam, dass jeweils die Partei des gegenwärtigen Ministerpräsidenten das stärkste Ergebnis erzielen konnte. Das ist die Belohnung für erfolgreiche Politik in den vergangenen Jahren. Daran sieht man, dass mindestens auf Länderebene das erfolgreiche Regieren für wichtiger gehalten wird als die (ideologische) Ausrichtung der Parteien. Abgesehen davon verläuft auch die Entwicklung der politischen Parteien in den alten und den neuen Bundesländern unterschiedlich.
Es könnte sein, dass auch auf nationaler und europäischer Ebene die Parteien künftig einen Bedeutungsverlust hinnehmen müssen. Das zeichnet sich wohl auch bereits ab. In Frankreich konnte Emmanuel Macron mit der von ihm neu gegründeten Partei En Marche den Präsidentschaftswahlkampf gewinnen. Auch das bisherige Orientierungsmuster zwischen rechts und links hat an Bedeutung verloren. Das Bewusstsein von der möglichen Zerstörung unserer Umwelt hat die Bürger Europas aufgerüttelt und den Grünen in Deutschland außer in den neuen Bundesländern einen unerwarteten Hype verschafft, obwohl die Umweltthematik auch in den anderen demokratischen Parteien ein ganz zentraler Bestandteil des politischen Handelns ist und bleiben muss .Auch programmatisch haben die demokratischen Parteien die Wichtigkeit der Erderwärmung insbesondere für das zukünftige Leben der Menschen erkannt. Es bleibt aber auch eine zentrale Aufgabe von Politik, die soziale Spaltung entscheidend zu mindern.
Wir müssen uns im Zeitalter der Globalisierung auf größere weltpolitische Änderungen einstellen. Damit Europa nicht im Gefüge der alten und neuen Großmächte (s.o.) marginalisiert wird, ist der europäische Zusammenschluss für die europäischen Staaten existentiell wichtig.  
Europa als Wertegemeinschaft, das beinhaltet vor allem die entschlossene Stellungnahme gegen rechtsextremistisches Gedankengut.

Bettina Wehner (16. November 2019)

                                                                                       11.07.2017

Gewaltexzess in Hamburg (7./8. Juli 2017)

Schon einen Tag vor Beginn von G 20 in Hamburg eskalierte die Gewalt bei der Demonstration „Welcome 2 Hell“ in der Hafenstraße. Der Sprecher der Roten Flora, Andreas Blechschmidt, hatte die Demonstration angemeldet und im Vorfeld bereits gesagt, dass es darum gehe, G 20 an der Durchführung zu hindern. So auch der Rechtsanwalt Andreas Beuth: „Das Beste wäre der vorzeitige Gipfelabbruch - jetzt träume ich.“
(Zeit Hamburg vom 29. Juni 17, S. 2)
Im Internet waren monatelang zuvor gewaltbereite Autonome aus ganz Europa angeworben worden. Die Störung des offiziellen Programms konnte durch einen ungewöhnlich hohen Polizeieinsatz verhindert werden (schließlich über 20 000 Polizisten aus ganz Deutschland), aber am Abend des 7. Juli kam es zu einer Gewaltorgie in der Schanze, bei der Geschäfte geplündert, Banken demoliert und Polizisten gefährdet wurden. Dazu fühlten die Autonomen sich berechtigt, weil sie darin Exponenten des Kapitalismus sehen, welcher zu bekämpfen sei. – Der Vorwurf muss gemacht werden, dass linke Gruppierungen sich nicht zureichend distanziert haben von der gewaltbereiten Szene.
Das Ausmaß an Hass und krimineller Energie (bes. am 7. Juli) war in dieser Intensität von der Politik nicht vorhergesehen worden.
Diejenigen, die jetzt der Regierung Versagen vorwerfen, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, das Debakel für eigene Wahlkampfziele auszunutzen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um linke Vertreter von Parteien.
Dass es auch zu gewaltfreien Demonstrationen von vielen Tausenden von Menschen (z.B. am 9. Juli) kam, zeigt, dass die Mehrzahl der Bürger zu konstruktivem Umgang mit den Problemen internationaler Politik fähig ist.
Die Globalisierung ist nicht umkehrbar. Die Hoffnung besteht aber, dass sie mit verständiger Politik zu mehr Frieden, Wohlstand und Solidarität führen kann. Wir müssen daran arbeiten.
Wer das nicht begreift, wird leicht zum Wegbereiter für rechte Parteien und Gewalt (brennende Asylantenheime).
Also Vorsicht bei der Instrumentalisierung der jüngsten Ereignisse im Wahlkampf. (B. Wehner-W. am 11. Juli 2017)

                                                                                       24. Nov. 2016

Rechtspopulistische und rechtsextreme Organisationen

Eine stets lebendige Tradition seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland

Nach dem Brexit am 17. Juni 2016 in Großbritannien folgte der Sieg des Rechtspopulisten Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf am 8. November 2016 in den USA. Trump hat gegen den Widerstand aus den Reihen der eigenen republikanischen Partei einen unerwarteten Sieg über Hillary Clinton von der Demokratischen Partei errungen. – Damit wird der behauptete Siegeszug der Rechtspopulisten in vielen europäischen Staaten angefeuert. Marine Le Pen, die Vorsitzende des französischen Front Nationale, hat nach der Wahl als eine der Ersten gratuliert. - Was wird aus Frankreich? Könnte dort Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen gewinnen? - Auch in Deutschland finden in 10 Monaten Wahlen statt, Bundestagswahlen. Es wird erwartet, dass erstmals eine rechte Partei die 5%-Hürde überspringt. Die AfD begrüßte jedenfalls die Wahl von Donald Trump und Frauke Petri hat auch gleich gratuliert.

Beunruhigend ist, dass der Rechtspopulismus fast überall in Europa und darüber hinaus in Amerika Konjunktur hat und für Renationalisierung und gegen Einwanderung eintritt. Fremdenhass und Rassismus bilden die demokratiefeindlichen Auswüchse irrationaler Überzeugungen.

Rechte Gruppierungen seit Gründung der Bundesrepublik
Rechtsextremes Gedankengut ist in Deutschland trotz des in jeder Hinsicht desaströsen 2. Weltkriegs nie ganz besiegt worden. Mal abgesehen davon, dass CDU und CSU an ihren rechten Rändern solche Strömungen einbanden, gab es im Laufe der Zeit immer wieder nach rechts tendierende Parteien und Gruppierungen: SRP (Verbot 1952), BHE (1961 Fusion mit der Deutschen Partei zur Gesamtdeutschen Partei), NPD, Republikaner, DVU (1987 gegründet, 2011 mit der NPD vereinigt), die Wehrsportgruppe Hoffmann (1980 verboten), die Wiking- Jugend (1994 verboten), die Mordbande NSU, AfD (seit 2013), PEGIDA, die „Reichsbürger“, um nur die geläufigsten zu nennen. PEGIDA-Anhänger demonstrieren wöchentlich vor allem in Dresden („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, gegr. 2014). Sie beanspruchen in der ihnen eigenen Großschnäuzigkeit, das Volk zu sein. An den Demonstrationen nehmen regelmäßig Anhänger der AfD teil. Es gibt also Überlappungen. -  Allen rechten und rechtspopulistischen Gruppierungen in Deutschland ist gemeinsam, dass sich bei ihnen nationalsozialistisches Gedankengut wiederfindet, mal historisch vermittelter, mal direkter in den sozial- und machtpolitischen Vorstellungen.

Das liegt u.a. auch daran, dass die junge Bundesrepublik glaubte angewiesen zu sein auf fachkundige, nationalsozialistisch belastete Beamte - das zeigt besonders deutlich das ehemalige Justizministerium in der Bonner Villa Rosenburg. Oder erinnern wir uns an den Fall Kiesinger. Oder erinnern wir uns daran, dass nach 1945 keiner ein Nazi gewesen sein wollte. In der Tat konnte man sich leicht in der Menge der Bürger verstecken und etwa behaupten, der andere habe ja auch nichts gegen das NS-Regime unternommen. Das Argument habe ich persönlich von vielen zu hören bekommen, wenn es ihnen darum ging, die Verstrickung der eigenen Familie in der Zeit des Nationalsozialismus zu entschuldigen.
Manche der ehemaligen Gefolgsleute Hitlers fühlten sich nach 1945 gedemütigt und nahmen gern die Gelegenheit wahr, sich mit Gleichgesinnten zusammenzufinden. Besonders schmerzlich war die gefühlte Unterwerfung natürlich für diejenigen, die im 3. Reich Privilegien genossen hatten und nicht bereit waren, sich mit den Verbrechen der nationalsozialistischen Ära auseinanderzusetzen.

Das ist wohl auch der Grund dafür, dass der Rechtspopulismus unter den heute Alten etwas überrepräsentiert auftritt (s. AfD). Bei der Betonung des nationalen Gedankens und der Skepsis bis Feindlichkeit gegenüber Fremden darf niemals vergessen werden, was dadurch an Unheil entstehen kann und geschieht. Den Deutschen steht es jedenfalls gut an, die eigene Vergangenheit nicht zu vergessen. Vielleicht kann das helfen, Renationalisierung und Rassismus nicht wieder groß werden zu lassen.

Für ein – teilweise gespenstisches – Weiterleben von NS-Gedankengut hat natürlich auch der Umstand gesorgt, dass sogenannte Befehlsempfänger sich leicht exkulpieren konnten, indem sie aussagten, dass sie gehorchen mussten. Nur 1% aller identifizierten NS-Verbrecher wurde verurteilt. Im Jahre 2015 kam es noch in Lüneburg zum Prozess gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in über 300 000 Fällen in Auschwitz, nachdem endlich eine Gesetzesänderung vorgenommen wurde, die es ermöglichte, nunmehr neben den Haupttätern auch Gehilfen zu verfolgen, die „nur“ Befehle befolgt hatten. Oskar Gröning war damals 93 Jahre alt und wird als „Buchhalter von Auschwitz“ bezeichnet. Die kleineren Verbrecher des Systems, und nicht nur die, sind heute – sofern sie überhaupt noch leben - über 90 Jahre alt und konnten 70 Jahre lang als Bürger unter Bürgern leben. Daher auch der „Schlachtruf“: „70 Jahre sind genug“, an dem man untrüglich eine wie auch immer konkret ausgestaltete rechte Gesinnung ablesen kann. -  Diesen Leuten kann man nur empfehlen, die Orte in Osteuropa aufzusuchen, an denen Tausende, Zigtausende, ja Hunderttausende, gar Millionen von Juden und Roma und Sinti ermordet wurden.

AfD erschwert Koalitionsmöglichkeiten
Zum Problem werden rechte Parteien dann, wenn sie die Koalitionsmöglichkeiten der Mehrheitsparteien erschweren. Die Landtagswahlen des Jahres 2016 in Baden-Württemberg (15,1%), Rheinland-Pfalz (12,6%), Mecklenburg-Vorpommern (20,8%), Berlin (14,2%), Sachsen-Anhalt (24,3%) brachten der AfD starken Zuwachs und beflügelten deren Ehrgeiz hinsichtlich eines starken Ergebnisses bei der Bundestagswahl des Jahres 2017.

Genährt wurden diese Zukunftsträume durch die von vielen so genannte „Flüchtlingskrise“. Sie belebte Ängste von Frustrierten und Zukurzgekommenen, dass der Sozialstaat für ihre Bedürfnisse nicht genügend Mittel übriglassen würde und ihre Mieten nicht genügend subventionieren könnte oder dass Flüchtlinge ihnen die Arbeit wegnehmen könnten. Viele haben/hatten auch Angst vor Überfremdung speziell durch den Islam. Sie fürchten den Untergang des deutschen Nationalstaats. Es handelt sich bei den Sympathisanten aus Angst vor Verlust der eigenen sozialen Stellung also nicht zwingend um Rechte aus Überzeugung, sondern aus einem Krisenbewusstsein heraus. Diese Bürger versprechen sich Abhilfe von einem autoritären Staat, was ja auch nicht gerade demokratische Gesinnung verrät. Mir ist kein Beispiel bekannt, dass ein solcher Staat nicht Einfluss nimmt auf die Pressefreiheit, die Freiheit des Rechts und die Freiheit der Lehre und damit die Freiheit der Bürger insgesamt einschränkt. Dies gilt in erster Linie für die Türkei unter Erdogan, aber zunehmend auch für die EU-Staaten Polen und Ungarn.  

Viele AfD-Sympathisanten können aber sicher zurückgeholt werden für die demokratischen Mehrheitsparteien, wenn Staat und Bürger mit Gesetzen und konkreter Hilfe die Integration der Flüchtlinge voranbringen. – Hinzuzufügen ist noch, dass die AfD nicht nur bei den unteren Schichten der Gesellschaft punktet, sondern auch, wie man so gern politisch korrekt sagt, in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen ist.
Seit der 2. Hälfte des Jahres 2015 starrten die Medien wie das Kaninchen vor der Schlange auf die anwachsende Zahl und Stärke der einstigen Anti-Euro-Partei des Professors Lucke, die anlässlich der Zugewinne bei den Landtagswahlen (s.o.) Triumphe feierte. Inzwischen haben die Medien begonnen, ihre Rolle im Umgang mit der AfD zu reflektieren. Das Stichwort heißt Entzauberung, und diese geschieht durch Recherche und sachkundige Beiträge in Wort und Bild/Ton. Man darf davon ausgehen, dass die Zahl der AfD-Wähler nicht weiter anwächst, ja dass eine Eindämmung zu Gunsten der demokratischen Parteien gelingen wird.
Ob es in absehbarer Zeit gelingt, die rechtspopulistische AfD auf einstellige Prozente zurückzudrängen, hängt vom politischen Klima in Europa ab und vom sozialpolitischen Kontext. In Hamburg z.B. käme nach einer neuen Umfrage die AfD nicht wieder in die Bürgerschaft.

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Das Ergebnis des Hamburger Referendums vom 29.Nov. 2015 im politischen Kontext

Das Hamburger Referendum für bzw. gegen Olympia 2024 in Hamburg ist von den Wahlberechtigten mit rund 52% bei einer Wahlbeteiligung von über 50% abgelehnt worden. Das mag für Menschen, die jenseits der SPD im linken politischen Spektrum zu Hause sind und sowieso eine Überanstrengung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel fürchteten, eine Genugtuung sein und ein Sieg der Vernunft, zumal sie den positiven Kräften des Marktes immer schon misstrauten. Es ist allerdings nicht die ganze Wahrheit; denn viele Hamburger begeisterte zunächst die Idee von olympischen Spielen in Hamburg trotz der immer bekannter werdenden Korruption in sportlichen Verbänden. Noch vor Kurzem gab es eine deutliche Mehrheit für die Spiele in der Bevölkerung, und auch die griechische Krise und Fast-Insolvenz vermochte daran nichts zu ändern.
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70 Jahre danach - und was ist mit den Opfern der 999. Strafdivision?

Am 27. Januar vor 70 Jahren befreite die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz bzw. die Überlebenden im Vernichtungslager Auschwitz. - Bergen-Belsen wurde am 15. April 1945 durch britische Truppen befreit. Ein britischer Film über die unsagbaren Zustände in Bergen-Belsen wurde lange zurückgehalten, um die Welt nicht zu schocken. - Im April 2015 wurde der Prozess gegen den 93jährigen Oskar Gröning, Buchhalter in Auschwitz, wegen Beihilfe zum Mord in 300000 Fällen eröffnet. Dies war möglich aufgrund einer Gesetzesänderung im Falle von Beihilfe. Jüdische Zeugen brachten zum Ausdruck, dass es ihnen nicht um Rache gehe, sondern darum, dass man ihnen endlich zuhöre. Die letzten noch lebenden direkten Naziopfer und Zeugen sind uralt.
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Parteilinie und Machtmissbrauch

Innerhalb des Spannungsfeldes Wahlbürger, Partei und politisches Mandat gibt es unterschiedliche Möglichkeiten des Machtmissbrauchs.

Um einen exemplarischen Fall von Machtstreben geht es in dem über 400 Seiten starken Tatsachenbericht von Volker Zastrow: Die Vier, Hg. Rowohlt: Berlin 2009. – Sie wissen: Die Vier, das sind die hessischen Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger, Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts, die vor einer möglichen Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin im November 2008 ihre Stimme öffentlich (Pressekonferenz) verweigerten, als Ypsilanti sich - entgegen ihrem Versprechen – mit Hilfe der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen wollte. Rot-Grün hatte keine Mehrheit im Landtag gewonnen. Dank ausführlicher Recherchen und als hervorragender Kenner der politischen Szene schrieb Zastrow ein interessantes und wichtiges Buch, das das Wirken von Politikern und Partei (SPD) auf den Prüfstand stellt.
Der vollständige Text mit weiteren Beispielen als Download



Krisenjahre der Hamburger SPD 2007-10

Bülent Ciftlik als Beispiel für Sozialromantik in der SPD
Mit beispielsloser Dreistigkeit hat über Jahre hin der türkischstämmige Bülent Ciftlik die Hamburger SPD als Sprungbrett zu Ansehen, Erfolg und geregeltem Einkommen genutzt. Und mit kaum verständlicher Ignoranz hat die Hamburger SPD jahrelang alle Anzeichen übersehen oder geleugnet, dass sie einen Lügner, Betrüger und Hochstapler in Schlüsselpositionen gehievt hatte. Erst als die Staatsanwaltschaft auf Ciftlik aufmerksam wurde und ein Gerichtsurteil gegen ihn erwirkte, hatte die Partei die Kraft, sich von ihrem prominenten, kriminellen Mitglied zu trennen.

Zum Download ein Überblick über dieses bemerkenswerte Stück Hamburger Parteigeschichte.
Krisenjahre der Hamburger SPD 2007 – 2010
Grambow Bericht 2007
Muras Bericht 2009



Hamburger Wahlen 2011: Wie die SPD Erfolg und Misserfolg lenkte

Guter Wahlkampf, viele Wählerstimmen, aber ich hatte mit den acht-meisten Stimmen doch kein Mandat für die Bezirksversammlung erhalten! Woran lag's?

1. Es wurden zu viele KandidatInnen aus dem Raum Rissen-Sülldorf auf gute Plätze der Wahlkreisliste 4 (Blankenese) gesetzt. Die machten sich gegenseitig Konkurrenz.

2. Zwei örtliche KandidatInnen wurden von der Findungskommission vorgezogen, die der SPD-Bezirk eingesetzt hatte. Auf Platz 4 statt wie geschehen auf Platz 6 hätte ich eine bessere Chance gehabt, in die Bezirksversammlung gewählt zu werden. Habe ich doch 3633 Stimmen bekommen, obwohl wir erst seit August 2010 in Rissen wohnen.

3. Es war ein Trend festzustellen, bevorzugt die ersten 5 KandidatInnen zu wählen, weil jeder pro Liste 5 Kreuze machen konnte. Das hat mit den Möglichkeiten des neuen Wahlrechts nichts zu tun. Vielfach wurde im Wahlkampf aber auch dazu aufgefordert, nur die ersten KandidatInnen auf der Liste zu wählen.

4. Ferner bevorzugten die WählerInnen ihre örtlichen KandidatInnen, und der Wahlkreis ist groß; er umfasst auch die bevölkerungsreichen Stadtteile Lurup und Osdorf. Bekannte Kandidaten von dort zogen vorbei. - Bei kleineren Wahlkreisen, die ja bereits beschlossene Sache sind, werden in Zukunft nur die regionalen KandidatInnen zur Disposition stehen, auf den Wahlkreislisten, nicht der Bezirksliste von Altona.

5. Die Partei hatte mich auf der Bezirksliste mit Platz 43 bewusst nicht abgesichert und damit das Wahlergebnis gesteuert.



Parteienherrschaft?

„Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“, heißt es in Artikel 21 (1) unseres Grundgesetzes. Viele beobachten aber statt Willensbildung mehr oder weniger verdeckte Parteienherrschaft in unserem Land.

An dieser Kritik ist ja zweifellos etwas Richtiges. Sie spießt die Tendenz von Parteien auf, den Dialog mit ihren politischen Repräsentanten in einen Monolog zu verwandeln: Weil sie dazu neigen, Parteiämter mit einem politischen Amt zu krönen. Die Wahl des letzten Bundespräsidenten mit einem prominenten CDU-Politiker als Gewinner und einem parteilosen „Kandidaten der Herzen“ als Verlierer ist das vielleicht bewegendste Beispiel. Keine der daran beteiligten Parteien hat dabei das Recht, auf andere zu zeigen.

Dabei scheint mir der Wunsch, verdiente Parteiarbeiter zu versorgen, noch ein vergleichsweise kleines Übel. Das eigentliche Problem ist der Verlust an politischer Kultur. Zu Recht nimmt eine Partei für sich in Anspruch, dass von ihr unterstützte Politiker über ihre Arbeit berichten und Entscheidungen rechtfertigen. Doch wenn dieser spannende Dialog zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Vision und Alltag verödet, leiden beide – die Partei und die Politik. Die Politik insbesondere kommt in den Verdacht, nur noch verlängerter Arm der Partei zu sein.

Das gilt auch für die Ebene Ortsverein – Kommunalparlament und erklärt die gegenwärtigen Erfolge von parteilosen Bürgerbegehren. Politisch bewusste Menschen lehnen in ihrer Mehrheit eine Parteienherrschaft ab; ich teile diese Meinung.



Hamburger Wahlrecht

Das neue Hamburger Wahlrecht kann, wenn man es denn umzusetzen bestrebt ist, die Distanz der Bürger zu den politischen Parteien verringern. Der vom Grundrecht gesetzte Souverän, das Volk, bekommt endlich eine Möglichkeit, sich in stärkerem Maße einzubringen. Dies geschieht u.a. durch recht weitgehende Personalisierung und durch die Möglichkeit zu kumulieren und zu panaschieren. Die Personalisierung kann Zweierlei bewirken: 1. Die Kandidaten müssen sich um den Wähler bemühen, wenn sie gewählt werden wollen; 2. die Wähler müssen sich informieren, wenn sie nicht weiterhin nur Abnicker sein wollen.

Der Versuch der Parteien, den Wählerwillen auszuhebeln und die Parteilisten in ihrer Reihung möglichst 1:1 durchzusetzen, stellt eine Missachtung des Wählerwillens dar. Anders und freundlicher ausgedrückt: Dem dezidierten Willen der Parteien, sich durchzusetzen, sollte der Wille der Wähler entsprechen, sich eine eigene, auf Durchsetzung bestrebte Meinung zu bilden.

Die Parteien wiederum sollten versuchen, der alten Forderung nach innerparteilicher Demokratie gerecht zu werden und sich dem Bürger zu öffnen. Klar weiß jeder, dass Parteien Machtinstrumente sind und auch sein müssen, aber das darf nicht zur Ingroup-Bildung führen. Dies ist ein gravierendes Problem der heutigen Parteien.

Das neue Wahlrecht kann - richtig verstanden - ein Hebel der Demokratisierung und Aktivierung des Wahlbürgers sein. Professor Voigt (Universität Hamburg) meint sogar, dass offene Parteilisten zu weniger Korruption und besseren Gesetzen führen – siehe sein Artikel „Herzlichen Glückwunsch, Hamburg!“