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Politik und Gesellschaft im Bann von CoV19
Am 23. Februar hat Hamburg eine neue Bürgerschaft gewählt. Mit Spannung wurde das Ergebnis erwartet. Viele Fragen standen im Raum:
Bleibt die SPD stärkste Partei? Oder schaffen es die Grünen, gestärkt durch Greta Thynberg und „Fridays for Future“, der SPD den Rang abzulaufen? Bleibt die AfD den Erwartungen gemäß klein?
Hier die Ergebnisse:
SPD 39,2 (-6,4); Grüne 24,2 (+11,9), CDU 11,2 (-4,7); Linke 9,1 (+0,6); AfD 5,3 (-0,8); FDP 4,9 (-2,5); Sonstige 6,1 (+1,9).(In den Klammern stehen die Ergebnisse der Bürgerschaftswahlen von 2015.)
Die SPD hatte die Wahl zwischen Grünen und CDU für die neue Wahlperiode, entschied sich recht schnell für den bisherigen Koalitionspartner. Aber noch vor dem Start der Koalitionsverhandlungen nahm die in China begonnene Corona-Epidemie Fahrt auf, die bereits auf Oberitalien und Österreich übergegriffen hatte. Der österreichische Ort Ischgl, wo sich besonders viele Hamburger Skiurlauber aufhielten, sorgte für schnelle Ausbreitung des Virus in der Hansestadt. Mit reduzierter Besetzung der Bürgerschaftsabgeordneten wurde am 18. März die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit wiedergewählt; die Koalitionsverhandlungen wurden ausgesetzt und ein bundesweiter, bisher nie dagewesener Lockdown des gesellschaftlich-politischen Lebens fand statt.
Beginnend mit der zweiten Märzwoche 2020 wurde das gesamte öffentliche Leben heruntergefahren. Zuerst wurden Massenveranstaltungen abgesagt, dann auch Veranstaltungen über 1000 Teilnehmer, schließlich kleinere Zusammenkünfte. Reisen wurden abgesagt, Konzerte, Opernvorstellungen und politische Versammlungen. Ab 16. (teilweise 17.) März sind bundesweit die Schulen geschlossen, ebenfalls die Geschäfte mit Ausnahme von Lebensmittelläden, Apotheken und Baumärkten. Es besteht – April 2020 - ein weitgehendes Kontaktverbot. Außerhalb des Hauses soll man sich mit nur einem anderen Menschen treffen können. Das Leben im Hause ist auf die Wohngruppe beschränkt. – Diese Maßnahmen haben zur Abnahme der Reproduktionszahl auf unter 1% geführt, das heißt, dass ein Infizierter nur einen bzw. weniger als einen Menschen ansteckt im statistischen Durchschnitt. Die Reproduktionszahl wird für wichtig gehalten, z.B. vom Robert-Koch-Institut, weil mit Hilfe von Containment die Zahl der Erkrankungen auf einem Niveau gehalten werden kann, das die Krankenhausbelegungen nicht überlastet und auch für den schlimmsten Fall Beatmungsgeräte vorhält.
Die Beschränkungen sind teilweise sehr genau befolgt worden, was allerdings insbesondere für Familien in kleinen Wohnungen mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Auch ist deutlich geworden, dass gut digitalisierte Haushalte wesentlich besser mit den (häufig auf diesem Wege) von den Schulen gestellten Unterrichtsmaterialien umgehen können als die sog. bildungsfernen Schichten, was voraussichtlich ein weiteres Auseinanderdriften der Bevölkerungsschichten zur Folge haben wird.
Produktion, Im- und Export sowie Verkehr, insbes. Flugverkehr wurden massiv heruntergefahren. Künstler – insbesondere Musiker und Schauspieler - sind besonders hart vom Lockdown betroffen, auch die Hotellerie und Gastronomie. Weniger Verkehr und weniger Produktion bedeutet aber auch weniger CO2-Ausstoß.
Die Frage bleibt: Wie vermeidet man den wirtschaftlichen Ruin vieler Wirtschaftsteilnehmer, ohne durch zu schnelle Öffnung und damit erhöhte Ansteckungsgefahr Menschenleben aufs Spiel zu setzen? Bei langer Krisendauer kommen wiederum trotz Bereitstellung hoher Milliardenbeträge durch die Regierung viele Betriebe finanziell nicht über die Runden. Um so gut wie möglich aus der Krise herauszuführen, ist Zusammenarbeit aller politischen und staatlichen Kräfte mit Virologen, Psychologen, Pädagogen, Juristen angesagt. Als besonders schwierig stellt sich der Zusammenhalt der unterschiedlichen Bevölkerungsschichten dar. Die Förderung der jungen Menschen ist wichtig, aber zugleich ist der Schutz der älteren Menschen ein Gebot der Menschlichkeit. Es geht um Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben ohne Ausgrenzung.
Die Krise hat uns alle aus der Bahn geworfen. Ein radikales Umdenken ist geboten.- Es steht fest: Pflegekräfte und etliche andere dienstleistende Berufe sollten höher wertgeschätzt und besser bezahlt werden.
Bettina Wehner, 22. April 2020
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